Kindeswohl in der COVID-19 Pandemie

Kindeswohl in Pandemie besonders gefährdet

Die Coro­na-Pan­de­mie stellt für vie­le Fami­li­en eine enor­me Belas­tung dar. Das macht sich im Kri­sen­jahr 2020 bei den Fäl­len von Kin­des­wohl­ge­fähr­dun­gen bemerk­bar: Das Jugend­amt ver­zeich­net einen alar­mie­ren­den Anstieg. Exper­ten drän­gen dar­auf, Schu­len und Kitas unbe­dingt offenzuhalten.

Die Zahl der Kin­des­wohl­ge­fähr­dun­gen in Deutsch­land ist wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie auf einen Höchst­stand gestie­gen. Im Jahr 2020 stell­ten die Jugend­äm­ter bei rund 60.000 Kin­dern und Jugend­li­chen eine Gefähr­dung fest — das waren rund 5000 Fäl­le mehr als im Vor­jahr, wie das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt mit­teil­te. Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lam­brecht wer­te­te die Zah­len auch als Zei­chen dafür, Schu­len und Kitas in der Pan­de­mie nicht erneut zu schließen.

In der Coro­na-Pan­de­mie ver­stärk­te sich ein Trend: Schon 2019 und 2018 waren die Zah­len um jeweils rund zehn Pro­zent gestie­gen. Grund für den erneu­ten Anstieg 2020 könn­ten laut den Sta­tis­ti­kern die Belas­tun­gen der Fami­li­en infol­ge der Lock­downs und der damit ver­bun­de­nen Kon­takt­be­schrän­kun­gen gewe­sen sein.

Die Behör­de hob zugleich her­vor, es sei nicht aus­zu­schlie­ßen, dass ein Teil der Fäl­le durch vor­über­ge­hen­de Schul­schlie­ßun­gen unent­deckt geblie­ben ist. Die Ver­dachts­mel­dun­gen von Schu­len gin­gen 2020 — ent­ge­gen dem all­ge­mei­nen Trend — um 1,5 Pro­zent zurück. Hin­ge­gen nah­men die Mel­dun­gen aus dem Ver­wand­ten- oder Bekann­ten­kreis um 21 Pro­zent zu.

Jedes dritte Kind unter fünf Jahren

2020 wur­den knapp 194.500 Ver­dachts­mel­dun­gen im Rah­men einer Gefähr­dungs­ein­schät­zung geprüft, ein Plus von zwölf Pro­zent gegen­über 2019. Etwa jedes drit­te gefähr­de­te Kind war jün­ger als fünf Jah­re. Rund die Hälf­te der betrof­fe­nen Kin­der und Jugend­li­chen hat­te zum Zeit­punkt der Gefähr­dungs­ein­schät­zung bereits eine Leis­tung der Kin­der- und Jugend­hil­fe in Anspruch genommen.

Die häu­figs­te Kin­des­wohl­ge­fähr­dung war mit 58 Pro­zent eine Ver­nach­läs­si­gung. Bei rund einem Drit­tel wur­den Hin­wei­se auf psy­chi­sche Miss­hand­lun­gen wie Demü­ti­gung oder Ein­schüch­te­rung gefun­den. In 26 Pro­zent der Fäl­le gab es Indi­zi­en für kör­per­li­che Miss­hand­lun­gen und in fünf Pro­zent Anzei­chen für sexu­el­le Gewalt. Alle Arten der Kin­des­wohl­ge­fähr­dung haben 2020 an Bedeu­tung gewon­nen. Beson­ders stark war die Zunah­me im Coro­na-Jahr aber bei psy­chi­schen Miss­hand­lun­gen. Hier stieg die Zahl der Nen­nun­gen um 17 Prozent.

Lambrecht: “Trauriges Ausmaß”

Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin Lam­brecht sprach von einem “trau­ri­gen Aus­maß” an Kin­des­wohl­ge­fähr­dun­gen. Die Zah­len sei­en auch des­halb von beson­de­rer Rele­vanz, weil sie aus dem ers­ten Coro­na-Jahr stamm­ten. In die­ser Zeit hät­ten die Belas­tun­gen und das Kon­flikt­po­ten­ti­al in den Fami­li­en durch die geschlos­se­nen Kitas und Schu­len und durch Home­schoo­ling erheb­lich zuge­nom­men. “Der deut­li­che Anstieg von Kin­des­wohl­ge­fähr­dun­gen ist ein wei­te­rer wich­ti­ger Grund dafür, künf­tig Schu­len und Kitas geöff­net zu hal­ten”, erklär­te Lam­brecht. Hier­für müs­se alles Erfor­der­li­che getan werden.

Die stell­ver­tre­ten­de Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de der Grü­nen, Maria Klein-Schmeink, wer­te­te die Zah­len als “ein Alarm­zei­chen, dass noch immer viel zu wenig für den Kin­der­schutz getan wird”. Des­halb müss­ten die Anstren­gun­gen bei Prä­ven­ti­on, Inter­ven­ti­on und Hil­fen wei­ter erhöht werden.

Der Sozi­al­ver­band VdK warf dem Staat Ver­sa­gen beim Schutz von Kin­dern vor und for­der­te, Kitas und Schu­len offen­zu­hal­ten. Der Staat habe “auf gan­zer Linie dabei ver­sagt, die Schwächs­ten unse­rer Gesell­schaft zu schüt­zen”, erklär­te VdK-Prä­si­den­tin Vere­na Ben­te­le. Sie for­der­te zudem, es dür­fe kei­ne erneu­ten Kita- und Schul­schlie­ßun­gen geben. “Sonst wie­der­holt sich die Situa­ti­on, und die Leid­tra­gen­den sind erneut Kin­der und Jugend­li­che”, erklär­te Bentele.

Quel­le: ntv.de, mdi/AFP

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