- Erziehungsberatung
Es gibt unterschiedliche Angebote der Erziehungsberatung zur Stärkung der Erziehungsverantwortung von Eltern in unterschiedlichen Lebenslagen und Familienformen. So gibt es Elternbildungsangebote, die eine klare Programmstruktur vertreten und sich dabei jeweils auf eine bestimmte Theorie beziehen. „Sie grenzen sich damit nicht nur voneinander ab, sondern zeigen auch deutliche Differenzierungen in der inhaltlichen und methodischen Gestaltung. Entweder arbeiten sie nach humanistischen Schulen, wobei die Bandbreite vom personenzentrierten Ansatz über den individualpsychologischen oder auch (humanistisch-) eklektischen gehen kann, oder sie arbeiten vorwiegend verhaltenstherapeutisch und kognitiv-behavioral“ (Tschöpe-Scheffler, 2006, S. 15). Als Beispiele für die Gestaltung des familiären Zusammenlebens und der Kindererziehung können evaluierte Erziehungskonzepte wie „Starke Eltern – starke Kinder“ des deutschen Kinderschutzbundes, „Tripel P“ des Instituts für Psychologie in Münster oder „STEP“ des Adler-Dreikurs-Instituts genannt werden.
In kritischen Lebenssituationen wie der Trennung der Eltern werden ebenfalls Elternkurse in Individual, Paar- und Gruppenebene angeboten. Dabei kann zwischen kind‑, eltern- und gerichtsbezogenen Inhalten unterschieden werden, die durch unterschiedliche Methoden vermittelt werden (Steigemann, 2012, S.79). Die Ansätze reichen von psycho-edukativen Interventionen bis hin zu intensiv-therapeutischen Maßnahmen (Steigemann, 2012, S.55). „Auf der individuellen Ebene soll das Wohlbefinden verbessert und eine psychische Ausgeglichenheit erreicht werden. Ziele auf der Paarebene sind das Erlernen und Verfestigen konstruktiver Konfliktlösefähigkeiten und die Reduzierung bzw. Vorbeugung destruktiver Interaktionsmuster, um ein konfliktarmes Elternverhältnis aufbauen zu können. Auf der Elternebene werden die Eltern beraten, wie sie eine entwicklungsförderliche Beziehung aufrechterhalten können“ (Steigemann, 2012, S.55). Dazu zählt beispielsweise das evaliierte Gruppenangebot „Kinder im Blick“ das in Kooperation von der Beratungsstelle Familien-Notruf München und der Fakultät für Psychologie und Pädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München als Präventionsangebot für Eltern in Trennung und Scheidung und als ergänzende Maßnahme für hochkonflikthafte Trennungsfamilien konzipiert wurde (Steigemann, 2012, S.81). Das Beratungsangebot „Kinder im Blick“ verfolgt drei Ziele: die Bewältigungsressourcen von Eltern zu verbessern, die elterlichen Kompetenzen in der Beziehungsgestaltung mit den Kindern zu stärken und in der Kommunikation mit dem anderen Elternteil einer Chronifizierung und Eskalation von Konflikten entgegen zu wirken. Die Inhalte dieses Elterntrainings liegen auf scheidungsrelevanten Themen, wie den Bedürfnissen und Interessen der Kinder im Trennungsgeschehen und der Reduzierung der Konfliktintensität. „Die theoretische Grundlage des Elterntrainings beinhalten Aspekte der Kommunikations‑, Konflikt- und Systemtheorie, der Erziehungskompetenz und emotionalen Kompetenz“ (Steigemann, 2012, S. 81).
Im Fall von Hochstrittigkeit der Eltern mangelt es an elaborierten Interventionskonzepten: „Noch sind keine spezifischen Diagnosekriterien von Hochstrittigkeit und darauf aufbauende integrative Interventionskonzepte bekannt, die auf einer validen theoretischen Modellierung scheidungsbezogener [Anmerkung des Verfassers: trennungsbezogener] Hochstrittigkeit abgeleitet wurden“ (Dietrich & Paul, 2012b, S. 74). In Deutschland hat die Entwicklung von Interventionsmaßnahmen, die speziell auf die Problematik der hoch strittigen Scheidungsfamilien abgestimmt sind, erst vor wenigten Jahren begonnen, so dass aussagefähige Evaluationen der Ansätze nicht vorliegen (Dietrich & Paul, 2012b, S. 82). Als Interventionsmaßnahmen können sogenannten gerichtsnahen Beratungsansätze wie beispielsweise das „Cochemer Modell“ ein Kooperationsmodell der verschiedenen Berufsgruppen der Region Cochem (Fichtner, 2006, S. 33; Niesel & Griebel, 2008, S. 336–337) und die „Familienberatung bei Trennung und Scheidung Regensburg“ eine Kooperation zwischen der psychologischen Beratungsstelle der Diakonie Regensburg und dem Familiengericht Regensburg (Fichtner, 2006, S. 49–50; Niesel & Griebel, 2008, S. 335–336) genannt werden (siehe auch: Walper & Krey, 2013, S. 191–192). Untersuchungen zum Erfolg dieser Konzepte haben ergeben, dass weniger Gerichtsverfahren vorgenommen wurden und eine hohe Quote des gemeinsamen Sorgerechts erreicht wurde (Krey, 2010, S. 76–77). „Beratung von hochstrittigen Eltern hat in Deutschland typischerweise den Charakter einer „Zwangsberatung“: Die Eltern kommen nicht freiwillig, sondern werden vom Familiengericht „geschickt““ (Walper & Bröning, 2008, S. 590). Der Vorteil der gerichtsnahen Beratung liegt aber gerade in dem eher verpflichtenden Charakter.
Auf der Basis des in dieser Arbeit vorgestellten rechtlichen und humanwissenschaftlichen Bezugsrahmen und deren Inhalten wurden vom Verfasser und Karl-Josef Kluge ein Interventionsansatz für die Beratung mit Eltern in Trennungs- und Scheidungssituationen entwickelt, der auch in Fällen der Hochstrittigkeit angewendet werden kann. Für jede beraterische und mediative Vorgehensweise im Sinne des Kindeswohls ist eine Klärung und inhaltliche Differenzierung der Kindeswohlkriterien erforderlich: „Haben die im familiengerichtlichen Verfahren kooperierenden Institutionen nicht geklärt, was ihre (gemeinsam) geltenden Kindeswohlkriterien und die dementsprechenden Zielperspektiven sind, so besteht die Gefahr, dass sich der Konflikt der Eltern in unterschiedliche Sichtweisen der professionellen Helfer überträgt und sich so innerhalb des Helfersystems reproduziert“ (Weber, 2010, S. 125; siehe auch Weber, 2009, S. 328). Der Verfasser setzte und erprobte daher zusammen mit Karl-Josef Kluge die in dieser Arbeit vorgestellten Inhalte zu den rechtlichen und humanwissenschaftlichen Kindeswohlkriterien in der Arbeit und Beratung mit Familien in Trennungssituationen in Gruppensitzungen z. B. durch das Format „Elternuniversität“ (Köln, Mönchengladbach) und in Einzelsitzungen als verbindlichen Rahmen ein. Der hier vorgestellte Beratungsansatz ist auf das System Familie Mutter-Vater, Eltern-Kinder und auf deren Interdependenzen ausgerichtet (Schneewind, 1999, S. 175–193; Wiesner/Struck, 2015, S. 319). Dieser Beratungsansatz soll die Eltern primär zum Aufbau und Erhalt einer partnerschaftlichen Familienbeziehung befähigen, sie darin bestärken und unterstützen. „Dem dienen insbesondere interdisziplinäre und mediativ angelegte Beratungsangebote, die die Konfliktregelungsfähigkeit von Eltern und ihre Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit auch präventiv fördern und unterstützen“ (Münder, Meysen & Trenczek/Proksch, 2013, S. 225).
- Inhalte
Abbildung 1 zeigt das Vorgehensmodell des Erziehungstrainings bei Trennung der Eltern des Verfassers und Karl-Josef Kluge.
Abbildung 1: Modell des Erziehungstrainings bei Trennung der Eltern
Im Folgenden werden die einzelnen Elemente vorgestellt.
(1) Analyse der Entwicklung des Kindes
In der Regel sind Fehlanpassungen von Kindern bei Trennung der Eltern Ausgangspunkt von Hilfen zur Erziehung nach § 28 SGB VIII. Dr. Karl-Josef Kluge und der Verfasser überprüfen die von anderer Stelle vorgenommenen Einschätzungen zu dem Entwicklungsstand eines Kindes und treffen auch eigene Feststellungen als Ausgangsbasis der erforderlichen Handlungsbedarfe und Maßnahmen auf Seiten der Eltern und Kinder.
(2) Analyse der elterlichen Beziehungs- und Erziehungskompetenzen
Der von Dr. Karl-Josef Kluge und dem Verfasser entwickelte Trainingsansatz versucht die Elternkompetenzen, in Abhängigkeit von der Problemlage der Kinder zu verbessern und weiterzuentwickeln. Die Kinder sind die Symptomträger der Erziehungsschwierigkeiten ihrer Eltern, so dass die Ursachen in der Regel bei den Eltern zu suchen sind und hier Ansatzpunkte für Verbesserungen gefunden werden müssen.
Es können vier Gruppen von elterlichen Beziehungs- und Erziehungskompetenzen dargestellt:
• Die Art und Weise, wie Eltern mit sich selbst umgehen (selbstbezogene Kompetenzen),
• Die Art und Weise, wie Eltern mit ihren Kindern unmittelbar umgehen (kindesbezogene Kompetenzen),
• Die Frage, welche Erfahrungs- und Handlungsräume sie ihren Kindern eröffnen (kontextbezogene Kompetenzen) und
• Die Frage, welches Vertrauen sie in ihre eigenen erzieherischen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten haben (handlungsbezogene Kompetenzen).
Die elterlichen Beziehungs- und Erziehungskompetenzen werden durch Interviews, Testverfahren und Interaktionsbeobachtungen zwischen den Eltern und den Kindern festgestellt.
(3) Zielsetzungsphase
Es stärk das Selbstwertgefühl und fördert die Akzeptanz, wenn die Eltern Ihre Ziele und Aufgaben zur Zielerreichung selber festlegen können. Dies ist vor allem in Phasen in denen die Möglichkeiten der Eltern eingeschränkt sind wichtig. In der Zielsetzungsphase werden realistisch erreichbare Ziele mit den Eltern vereinbart und festgelegt. Würden die Zielsetzungen von den Elterntrainern vorgegeben werden, würde das nicht die Elternkompetenzen stärken, sondern zu weiteren Belastungen führen. Die Werte und Normen der Eltern und deren Erziehungsvorstellungen sind Ausgangspunkt. Die Elterntrainer versuchen die Perspektive und Anforderungen der Kinder in den Zielsetzungsprozess einfließen zu lassen. Eltern und Elterntrainer versuchen so in einer gemeinsamen Herangehensweise die Zielsetzungen im Sinne der Bedürfnisse der Kinder anzupassen.
Durch diesen Prozess werden die Ziele zur Weiterentwicklung und Stärkung der elterlichen Beziehungs- und Erziehungskompetenzen nach ihren Inhalten und der erwünschten Ausprägung und einem verbindlichen Termin gemeinsam vereinbart.
(4) Trainingsphase
Die Kursinhalte der Trainingsphase für Eltern umfassen 11 Einheiten und sind, für eine Dauer von 3 Monaten angelegt. Die Gruppensitzungen umfassen ungefähr 8 bis 10 Teilnehmer. Innerhalb des Kurses wird in der gesamten Gruppe und in Kleingruppen gearbeitet. Die Gruppensitzungen werden im Idealfall durch ein gemischtgeschlechtliches Trainerpaar geleitet.
Das Unterstützungsangebot von Kluge und Schmidt berücksichtigt die Art und das Ausmaß der elterlichen Konflikte, die Gestaltung der Elternbeziehungen und der Eltern-Kind-Beziehung nach der Trennung sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf die Kinder (siehe auch: Paul & Dietrich, 2007, S. 93; Weber & Menne, 2011, S. 90–91). In dieser Interventionspraxis liegt der Schwerpunkt darin konflikthafte Eltern in Trennung und Scheidung dahingehend zu unterstützen, ein Bewusstsein über die schädlichen Wirkungen von Konflikten für die Kinder zu entwickeln. Neben der Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenzen werden daher auch die elterliche Kooperationsfähigkeit und das Bewusstsein der Bedeutung des Kontaktes des Kindes zu beiden Elternteilen gestärkt. Ein Schwerpunkt liegt auf der Erarbeitung einer gemeinsamen Elternvereinbarung damit weitere juristische Auseinandersetzungen zu Fragen die Kinder betreffend in Zukunft ausgeschlossen werden. In diesem Punkt verfolgt der hier vorgestellte Ansatz im Vergleich zu dem Beratungsangebot „Kinder im Blick“ eine weitere Zielsetzung, nämlich eine von beiden Eltern getragene Vereinbarung im Sinne ihrer Kinder. Das Unterstützungsabgebot von Kluge und Schmidt erweitert auch die Kriterien einer effektiven Intervention nach Paul & Dietrich (2007, S. 72) um eine Umsetzungskomponente.
Die frühestmögliche Intervention kann der entscheidende Faktor sein prolongierte Elternkonflikte zu verhindern. Gerade die Elternvereinbarung entspricht auch im Konfliktfall der grundgesetzlich verankerten Elternautonomie. Die Elternvereinbarung in Form des Rechtsinstituts des gerichtlich gebilligten Vergleichs (§ 156 Abs. 2 FamFG) ist auch rechtsverbindlich, da hier ein vollstreckbarer gerichtlicher Beschluss auf Basis eines vollstreckungsfähigen Inhalts vorliegt. Damit ist dieser Ansatz auch zukunftsweisend, da in den vielfach geforderten Reformansätzen insbesondere die Stärkung der Elternvereinbarung als zielführend angesehen wird: „1. Lösung von Konflikten gemeinsam sorgeberechtigter Eltern ausschließlich auf der Ebene der Ausübung der gemeinsamen Elternverantwortung, 2. Fortentwicklung der Regelungen zu Vertretungs – und Entscheidungsbefugnisses bei gemeinsamer Elternverantwortung sowie 3. die rechtliche Ausgestaltung und Stärkung von Elternvereinbarungen“ (Hammer, 2018, S. 231). Dazu nehmen Kluge und Schmidt auch oft die Rolle von Beiständen in familiengerichtlichen Verfahren nach § 12 FamFG ein. In anderen Unterstützungsangeboten ist dies nicht der Fall.
Aus den vorgestellten Zielen und Inhalten der Beratungsleistung nach § 17 SGB VIII und § 18 SGB VIII leiten der Verfasser und Karl-Josef Kluge folgende Struktur für ihren Beratungsansatz bei Trennung der Eltern ab (siehe auch Emery, 2012, S. 63; Niesel, 2008, S. 328–334; Johnston & Campbell, 1988, S. 199).
(4.1) Neu-Aufstellung der Beziehungen der Eltern mit der Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kinder (Emery, 2012, S. 63; Fthenakis, Niesel & Griebel, 1993, S. 267–268; Johnston & Campbell, 1988, S. 199; Rohrbaugh, 2008, S. 196–209; Walper & Krey, 2013, S. 196; Whiteside, 1998, S. 13)
Wenn Kinder vorhanden sind ist eine bestimmte Form der elterlichen Zusammenarbeit der ehemaligen Partner erforderlich: „One of the many ironies of divorce is that, even in the midst of their parenting, parents need to find a way to work together for their children“ (Emery, 2012, S. 93). In diesem Bereich werden die Eltern über die Auswirkungen einer Trennung für die Eltern und für die Kinder informiert. Weiterhin werden die entwicklungsbezogenen Bedürfnisse von Kindern dargelegt und es wird den Eltern vermittelt, die Bedürfnisse der Kinder in den Vordergrund zu stellen. Die Eltern werden dabei unterstützt nach einer Trennung ihrer gemeinsamen Verantwortung gegenüber den Kindern gerecht zu werden. „Wir arbeiten in erster Linie mit den Eltern für die Kinder“ (Holdt & Schönherr, 2015, S. 128). Ziel dieser Phase ist es die Position der Kinder in den Mittelpunkt aller Handlungen der Eltern zu stellen und zu berücksichtigen.
Inhalte:
• Mögliche Auswirkungen einer Trennung für die Eltern
• Generelle entwicklungsbezogene Bedürfnisse von Kindern
• Mögliche Auswirkungen von Trennungen der Eltern für Kinder
• Sensibilisierung, die Bedürfnisse der Kinder in den Vordergrund stellen
Methode:
• 4 Einheiten mit jeweils dreistündiger Dauer
• Die einzelnen Kurseinheiten werden im Wochenabstand durchgeführt
(4.2) Reduzierung der Konflikte auf der Paarebene (Dietrich, Fichtner, Halatcheva & Sandner, 2010, S. 33–47; Johnston & Campbell, 1988, S. 199; Rohrbaugh, 2008, S. 196–209)
Als Voraussetzung für die Ausarbeitung eines einvernehmlichen und auf Dauer einzuhaltenden Konzeptes zur Wahrnehmung der elterlichen Sorge (Elternvereinbarung) wird die Beratung hinsichtlich der Be- und Verarbeitung der psychischen Konfliktdynamik bei Trennung und Scheidung und der Trennungsfolgen bei Kindern und Jugendlichen angesehen (Weber, 2009, S. 324). So kann mit höherer Wahrscheinlichkeit sichergestellt werden, dass Eltern keine Anträge zum Sorge- oder Umgangsrecht beim Familiengericht stellen, um zu ihrem vermeintlichen Recht zu kommen. Denn wenn Familiengerichte entscheiden, produzieren sie Sieger und Verlierer. Gerichtliche Entscheidungen führen nicht in jedem Fall zu einer wirklichen Befriedung und Stabilisierung der Familie. „Der „Kampf um das Kind“ und das vermeintliche Recht wird mit subtileren und/oder gröberen Mitteln weiter geführt. Psychologische Mechanismen, die von persönlicher Vulnerabilität, von Enttäuschungen und Verletzungen durch den geschiedenen [Anmerkung des Verfassers: getrennten] Partner, von einem unterschwellig weiter wirkenden Schuldprinzip, von feministisch und maskulin geprägten Haltungen und von einem von Gesetz und öffentlicher Meinung genährten Anspruch auf eine ungestörte Beziehung zum Kind bestimmt sind, können dann zum Aufschaukeln der Konflikte führen“ (Weber, 2009, S. 327).
Nach der Feststellung der Konflikte zwischen den Eltern werden den Eltern insbesondere die möglichen Auswirkungen ihrer Konflikte auf ihre Kinder vermittelt. Die Reduzierung der Konflikte zwischen den Eltern ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, den Koalitionsdruck und die damit verbundenen Loyalitätskonflikte für Kinder zu verringern und zu vermeiden (Emery, 2012, S. 93). Im Anschluss werden Strategien erarbeitet, die Konflikte zu begrenzen. Ziel dieser Phase ist es, eine Kooperationsfähigkeit der Eltern zu erreichen, die ermögliche, dass sie sich (wieder) auf die Belange ihrer Kinder fokussieren können.
Inhalte:
• Feststellung der Konflikte zwischen den Eltern (Lebow, 2003, S. 183–184; Rohrbaugh, 2008, S. 170–172):
• Art des Konflikts (z.B. gerichtlich, Einstellungen, persönlich)
• Konflikt-Bereiche und mögliche Interdependenzen
• Zeitliche Dimensionen (Beginn, Dauer)
• Konfliktverursacher und ‑grund
• Verständnis des Konflikts aus den unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten
• Konflikt-Niveau
• Mögliche Folgen von Konflikten der Eltern auf die Kinder
• Erarbeitung von Strategien zur Reduzierung des elterlichen Konfliktverhaltens
Methode:
• 3 Einheiten mit jeweils dreistündiger Dauer
• Die einzelnen Kurseinheiten werden im Wochenabstand durchgeführt
(4.3) Erarbeitung einer Elternvereinbarung (Parenting-Plan) (Arizona Supreme Court, 2009, S. 5; Johnston & Campbell, 1988, S. 199, Kelly, 2005, S. 253–254)
„Written parenting plans provide children and parents with predictability and consistency and can prevent future conflicts … When parents reach agreements, they are more likely to cooperate as their children grow up … The key to successful co-parenting is a written parenting plan that states the agreements parents reach about legal custody, the sharing of rights and privileges, and the schedule for parenting time” (Arizona Supreme Court, 2009, S. 5–6). Eine gemeinsame Elternvereinbarung kann Entscheidungen der Familiengerichte verhindern. Bei der Erarbeitung einer Elternvereinbarung muss das weiterhin bestehende Konfliktpotential der Eltern beachtet werden (Rohrbaugh, 2008, S. 173).
Inhalte:
Eine gemeinsame Elternvereinbarung sollte folgende Inhalte umfassen:
(A) Name des Kindes und Eltern
(B) Generelle Regeln über die Haltung der Eltern zu ihrer Beziehung nach einer Trennung
• Bedürfnisse des Kindes
• Wir vereinbaren, dass wir die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt unserer Handlungen stellen.
• Einhaltung des wechselseitigen Wohlverhaltensgebots
• Wir vereinbaren, dass wir wechselseitig Respekt vor der Eigenständigkeit und Autonomie des anderen Elternteils haben.
• Wir vereinbaren, dass wir das Kind aus sämtlichen Diskussionen der elterlichen Trennung heraushalten.
• Wir vereinbaren, dass wir alles unterlassen, was den anderen Elternteil beim Kind negativ erscheinen lassen könnte.
• Kooperation
• Wir vereinbaren, dass wir hinsichtlich aller kindesbezogenen Themen kooperieren und zu gemeinsamen Lösungen kommen.
© Gesetzliche Sorge
• Vereinbarung des gemeinsamen Sorgerechts
• Vereinbarung zur Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge auf einen Elternteil
• Vereinbarung zur alleinigen Sorge eines Elternteils
(D) Zeit des Kindes mit seinen Eltern (Bausermann, 2002, S. 97–99; Kelly, 2007, S. 46–47; NICHD Early Child Care Research Network, 2000, S. 976)
• Wechselmodell
Das Kind lebt überwiegend z.B. im wöchentlichen Wechsel bei Elternteil A und Elternteil B.
• Residenzmodell
Das Kind lebt hauptsächlich bei Elternteil A und verbringt z.B. alle zwei Wochenenden Zeit mit dem Elternteil B. Hier können zusätzliche Aufenthalte bei Elternteil B vereinbart werden.
• Regelungen über sonstige Termine und die Teilnahme an Aktivitäten des Kindes
• Ferienregelung
• Feiertage
• Geburtstage
• Andere besondere Tage
• Kontaktformen über Telefon, Skype, E‑Mail usw.
• Kontakte mit anderen Personen (z.B. Großeltern, Familienmitgliedern)
• Teilnahme an Terminen des Kindes (z.B. Schulveranstaltungen, Sportaktivitäten, Einladungen)
(E) Austausch von Informationen über das Kind (Lebow, 2003, S. 188)
• Wir vereinbaren, dass wir uns jederzeit über wichtige Dinge des Kindes austauschen.
• Wir vereinbaren, dass wir verlässliche Kommunikationsstrukturen hinsichtlich Angelegenheiten des Kindes und der Zusammenarbeit hinsichtlich des Kindes in zwei getrennten Haushalten etablieren und aufrechterhalten.
Methode:
• 4 Einheiten mit jeweils dreistündiger Dauer
• Die einzelnen Kurseinheiten werden im Wochenabstand durchgeführt
Ziel dieser Phase ist es durch eine gemeinsam erarbeitete Elternvereinbarung gerichtliche Auseinandersetzungen hinsichtlich der Kinder zu verhindern oder zu beenden.
(4.4) Verbesserung der elterlichen Erziehungskompetenzen (Cookstone & Fung, 2011, S. 351)
xxx
(5) Kontrollphase
In den Trainingseinheiten wird die Erreichung der Ziele überprüft und gegebenenfalls neu ausgerichtet.
- Ausblick
In der praktischen Erprobung ist Karl-Josef Kluge und dem Verfasser aufgefallen, dass die bisherigen gesetzlichen Regelungen bei hochkonflikthaften Familien unzureichend sind, dass Kindern auch außerhalb des Familiensystems Ansprechpartner zur Verfügung gestellt werden sollten und dass die fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Beratung Einschränkungen der Beratungspotentiale mit sich bringt.
Die bisherigen gesetzlichen Regelungen zu Beratung der Eltern bei Trennung und Scheidung sollten vermehrt zukünftig die Anforderungen hochkonflikthafter Trennungen berücksichtigen. „Je eskalierter der Konflikt, desto schwieriger wird es sein, die Eltern zur Kooperation zu führen, desto intensiver müssen emotionale Blockaden (therapeutisch) bearbeitet werden, desto deutlicher wird auf parallele statt auf gemeinsame Elternschaft gesetzt, desto zwingender sind grenzsetzende, kontrollierende und gerichtsnahe Maßnahmen, desto vernetzter wird die Kooperation der involvierten Professionen sein und desto länger müssen die Familien betreut werden“ (Dietrich & Paul, 2012b, S. 87). Für stark konfliktbelastete Familien erreichen somit Kurzzeitprogramme und Interventionen selten ihre Zielsetzungen: „Während kurze Elternprogramme den Eltern zwar Wissen über die Bedürfnisse ihrer Kinder vermitteln, gibt es wenig Evidenz, dass diese Maßnahmen auch langfristige Verhaltensänderungen mit sich bringen“ (Walper & Krey, 2013, S.195). Deshalb scheint es bei größeren Konflikten unvermeidbar, individuelle und bedarfsgerechte Angebote zur Verfügung zu stellen (Bundeskonferenz für Erziehungsberatung, 2013, S. 6; Dietrich, Fichtner, Halatcheva, Sandner & Weber, 2010, S. 42–43; Dietrich & Paul, 2012b, S. 75).
Eine weitere Verbesserung für die Kinder, die von Trennungen betroffen sind, liegt darin, einen Ansprechpartner außerhalb des Familiensystem zur Verfügung stellen. Unterstützung für Kinder in Trennungssituationen könnte beispielsweise durch den Einsatz von Personal in Schulen geleistet werden: „A related approach involves community-based programs for children, often located in schools. Many courts in the United States refer children to these programs, although attendance is usually voluntary. These programs aim to provide children with social support, encourage children to talk about feelings, reduce feelings of isolation, develop coping skills, and generally help children adjust to their new circumstances. These sessions can vary in length from a few hours to 10 weeks or longer (Geelhoed, Blaisure, & Geasler, 2001). Researchers have conducted several evaluations of these programs, and most have found positive effects on children, including reductions in negative feelings about the divorce, reductions in school-related problems, and increased feelings of competence (Pedro-Carroll, 2005)” (Amato, 2014, S. 18).
In Deutschland gibt es keine Verpflichtung zur Beratung, die in anderen Ländern gesetzliche Verpflichtung ist. Hier könnte der Gesetzgeber Vor- und Nachteile einer gesetzlichen Beratungsverpflichtung abwägen und die Erfahrungen anderer Länder mit einbeziehen.